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Forschungsprogramm

Das Zentrum für Vergleichende Europäische Studien untersucht die Geschichte des geographischen Raumes Europa, seine politisch-institutionellen Handlungsfelder ebenso wie die Imaginationen und Repräsentationen Europas in Vergangenheit und Gegenwart. Das Ende der Sowjetunion und der russischen Hegemonie in Osteuropa hat Europa als Forschungsgegenstand jenseits der Ost-West-Dichotomie des Kalten Krieges neu konstituiert, so dass auch ein neuer Blick auf den Kulturraum Europa notwendig geworden ist. Die Bündelung und Zusammenarbeit verschiedener Fächer im Zentrum für Vergleichende Europäische Studien ermöglicht den fragilen und fragwürdigen Zusammenhang Europas aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, Traditionen und Gemeinsamkeiten genauso wie Auseinandersetzungen und Konflikte bei der Genese des modernen Europa zu problematisieren und die Vernetzungen und Interaktionen Europas mit der außereuropäischen Welt zu berücksichtigen.

Drei Forschungsschwerpunkte bilden das Forschungsprogramm des Kölner Zentrums für Vergleichende Europäische Studien:

Europa als Identitätsfiktion
Erstens geht es um die Identitätsfiktion von Europa: einerseits um die Wahrnehmung Europas von außen, andererseits um die Homogenitätsdiskurse, in denen europäische Gemeinsamkeiten konstruiert und tradiert werden. So rücken Vorstellungen und Mechanismen von Inklusion und Exklusion, die für Europa zentral sind, in den Mittelpunkt. Welche Räume und Gruppen gehörten zu Europa, und wo lag sein Zentrum, wo seine Peripherie? Zu betrachten sind also geographische und politische, ethnische und religiöse Grenzziehungen, das labile, stets neu zu bestimmende Verhältnis des Eigenen und des Fremden, europäische Selbst- und Feindbilder, Tradition und Rezeption der Künste sowie der wechselseitige Kulturtransfer als wesentliches Medium der Aneignungs- und Ausgrenzungsprozesse. Außer den europäischen Identitätsfiktionen wären in vergleichenden Fallstudien, etwa zu Diskurs- und Bildungstraditionen, kulturelle Differenzen innerhalb Europas zu analysieren, die durch solche Fiktionen und Prozesse teils beseitigt, teils aber auch nur im Namen einer homogenisierenden Rhetorik bzw. Politik verdeckt worden sind.

Europa als Arena von Integrationsprozessen
Zweitens ist Europa als Arena von Integrationsprozessen zu untersuchen. Hier gilt es, politische und ökonomische, soziale und kulturelle Strukturen wie Prozesse zu vergleichen, die Voraussetzung, Faktor und Movens eines Zusammenwachsens Europas gewesen sind. Wo kann man strukturelle Gemeinsamkeiten ausmachen, wie veränderte sich dieser Kranz von Merkmalen im Zeitverlauf, und in welchen Räumen liefen grundlegende Entwicklungsprozesse ab? Dazu gehört auch eine erfahrungsgeschichtliche Perspektive, die Europa als einen Erfahrungsraum begreift. Sie fragt nach den Europaerfahrungen verschiedener sozialer Klassen und Gruppen (des Adels oder der Kaufleute, von Juden oder politischen Flüchtlingen) sowie den gesellschaftlichen Praktiken (Reisen oder Kongresse), die solche begründeten. Über den internationalen Vergleich hinaus fordert das Konzept des Zentrums eine Erweiterung der historischen Komparatistik um die Untersuchung interkultureller Transferbeziehungen. Diese thematisieren das komplizierte Wechselspiel inter- und transnationaler Phänomene von technischen Normen über Musik und Malerei bis zu Verfassungen, Sozialreformen oder Wissenschaftsbeziehungen.

Europa als Feld der Internationalisierung
Drittens soll Europa als Feld der Internationalisierung untersucht werden und zwar aus europäischer Perspektive wie in der Sicht von außen, also in der Wahrnehmung anderer Weltregionen. Gerade der sich in der Gegenwart vollziehende Prozeß der Globalisierung weist frühere Ausprägungen im neuzeitlichen Europa auf. Darin liegt die Chance, gewisse europäische Gemeinsamkeiten in Relation zu anderen Regionen der Welt zu identifizieren, aber auch zu relativieren und nach der Einbindung Europas in globale Veränderungen zu fragen. Zu denken ist nicht nur an die Verflechtung von Güter- und Kapitalmärkten, sondern auch an die Diffusion konsumgesellschaftlicher Strukturen und massenkultureller Phänomene oder an die Internationalisierung von Wissenschaft.